»Sie nahmen mir nicht nur die Freiheit« ist eine bewegende Geschichte aus der jüngsten deutsch-deutschen Vergangenheit: Gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer dreijährigen Tochter versucht eine junge Violinistin aus der DDR zu fliehen; doch die drei werden verraten, die Eltern ins Gefängnis gesteckt. (buchreport.de)
»Sie nahmen mir nicht nur die Freiheit« ist der ergreifende Bericht einer gescheiterten DDR-Flucht und eine bewegende Mutter-Tochter-Geschichte. Eine junge Violinistin versucht, mit ihrem Mann und ihrer dreijährigen Tochter in einem Kofferraum aus der DDR in den Westen zu fliehen. Doch sie werden verraten. Nicht nur werden die Eltern ins Gefängnis gesteckt man nimmt ihnen auch die kleine Tochter. Eine traumatische Haftzeit beginnt. Ein bewegendes Dokument deutsch-deutscher Geschichte.
Ganz am Ende, im Nachwort, bricht die Erbitterung hervor. Nein, sie hatte nicht vor, ein Abrechnungsbuch mit der DDR zu schreiben. Wäre da nur nicht diese grassierende Verklärung in Form »ultimativer Ostalgie-Shows«, putzige Trabi und Ampelmännchen-Geschichten, die die Köpfe langsam vernebele. Die DDR als spießig heimeliges Spreewaldgurken-Idyll, voll armer, aber fröhlicher Hausgemeinschaften. Selbst die NVA, eine filmische Lachnummer. Die ewigen Fluchtgeschichten haben die Leute inzwischen satt. Dies muss schmerzen. Denn es war genau ihre Geschichte. Eine gescheiterte Flucht. Das sich anschließende Martyrium hat in Eva-Maria Neumann ein anderes Bild ihrer einstigen Heimat eingebrannt. Die »Republikflüchtige« hat einige der schlimmsten Orte von innen kennen gelernt.
»Machense mah denn Gofferraum off!« – Das Buch eröffnet mit dem schlimmsten aller Sätze. Kläffende Suchhunde. Waffenstarrende Grenzpolizisten. Der Albtraum war Realität geworden. Eine stundenlange, nervenaufreibende Fahrt, zusammengepfercht mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter im Kofferraum des Schleuserautos, hatte im Februar 1977 ihr bitteres Ende gefunden. »Ich bin der Otto«. Das Codewort, das der Schleuser nicht kannte, hätte ein Alarmsignal für die Neumanns sein müssen. Viel später erfuhren sie, dass ihre von langer Hand geplante Flucht durch Verrat aufgeflogen war. Die Familie wurde auseinander gerissen, was folgte, war eine Odyssee wechselnder Haftanstalten, endloser Verhöre, Einzelhaft mit Lichtfolter und unverhohlener Drohungen. Schließlich wurde Eva-Maria Neumann zu drei, ihr Mann Rudolf zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Nun begann der wirkliche Albtraum!
Quälend ausführlich und in eindringlichem Ton schildert die Geigenlehrerin die grauenvoll entseelte Welt des berüchtigten DDR-Frauengefängnisses Hoheneck (Motto: Lieber zehn Mörderinnen als eine Politische!). Gepeinigt von Schuldgefühlen gegenüber ihrer kleinen Tochter und in ständiger Sorge um ihren Mann, erkrankte Eva-Maria Neumann an schwerem Gelenkrheuma und musste am Ende um ihre Karriere als Geigerin fürchten. Nach eineinhalb Jahren hatte die Marter ein Ende: Die BRD kaufte das Ehepaar frei, sechs Monate später durfte die kleine Tochter ausreisen. Seit 1982 unterrichtet die Autorin an der Städtischen Musikschule Aachen. Das Trauma ist geblieben. Bleibt zu hoffen, dass dank dieser erschütternden Anklage das DDR-Unrechtssystem nicht so schnell in Vergessenheit gerät oder der Verharmlosung anheim fällt. Eva-Maria Neumann hat dem Terror wieder ein Gesicht gegeben. Ein hässliches!
(Ravi Unger, AMAZON)
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