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Die Zeit des Aufbruchs von ‘68 – nah und zum Erschrecken fremd ... Peter Schneider war einer der Akteure von ‘68, mit Rudi Dutschke, Gaston Salvatore, Ulrike Meinhof. Als einer von ganz wenigen unter ihnen hat er damals Tagebuch geführt – ein Schatz, den er erst jetzt hebt.
Die Jahre 1967/68 waren eine Zeit des Aufbruchs, die Peter Schneider und viele seiner Generation als eine zweite Geburt erlebten. Schneider blättert in seinen Tagebuch-Aufzeichnungen und setzt sich mit den Hoffnungen, Utopien und Verstiegenheiten dieser Zeit auseinander. Es ist kein nostalgischer Rückblick, der da entsteht – eher ein Streitgespräch des 68-Jährigen mit dem 68er über den Frühling vor dem deutschen Herbst. Dabei wird Ernst gemacht mit dem Anspruch, alles Politische sei privat und umgekehrt. In Schneiders Darstellung verschränkt sich der weltweite Aufbruch von 67/68, der der Generation der Väter den Gehorsam verweigerte und eine neue Gesellschaft nach neuen Regeln erschaffen wollte, und eine Amour fou, die den Tagebuchschreiber womöglich mehr umwühlte als seine revolutionären Überzeugungen; der Widerstreit zwischen Künstlerehrgeiz und politischem Aktivismus; das Nebeneinander von Welterlösungsideen und tiefer persönlicher Verzweiflung; der Absturz einer historisch notwendigen Erneuerungsbewegung in persönliche ideologische Erstarrung.
Bei ihrem Infight begegnen sich der alte und der junge Autor durchaus auf gleicher Augenhöhe. Zwar hat der ältere das biologische Privileg, dass er das letzte Wort behält. Dem jüngeren bleibt die Waffe, dass seine radikalen und zuweilen blutrünstigen Ausbrüche gegen die »herrschende Klasse« authentisch sind und sich durch besänftigende Erinnerungsarbeit nicht aus der Welt schaffen lassen. In einem Punkt ist sich der 68-Jährige mit dem 68er einig: Nicht diejenigen, die den Aufbruch wagten, haben sich zu rechtfertigen. Sondern die anderen, die nach dem Zivilisationsbruch des Dritten Reichs glaubten, in den Schuhen und Anzügen ihrer Väter ihrer Karriere nachgehen zu können, als wäre nichts geschehen.
(Verlag Kiepenheuer & Witsch)
Peter Schneider wurde 1940 in Lübeck geboren und wuchs in Freiburg auf, wo er sein Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie aufnahm. Im Bundestagswahlkampf von 1965 schrieb er Reden für SPD-Politiker. 1967/68 avancierte Schneider zu einem der Wortführer der 68er-Bewegung. Er beendete seine Ausbildung 1972 in Berlin. 1973 Berufsverbot als Referendar.
Er schrieb Erzählungen, Romane, Drehbücher und Reportagen sowie Essays und Reden, die in pointierter Weise zu den politischen und ideologischen Fragen seiner Zeit Stellung bezogen. Zu seinen wichtigsten Werken zählen Lenz, 1973; Wiederveröffentlichung im Frühjahr 2008 als KiWi 1032, Schon bist du ein Verfassungsfeind, 1975, Der Mauerspringer, 1982; die englische Ausgabe wurde 2005 als »Penguin Modern Classic« wiederveröffentlicht, Vati, 1987, Paarungen, 1992, Eduards Heimkehr, 1999, Und wenn wir nur eine Stunde gewinnen, 2001 und Skylla, 2005. Seit 1985 unterrichtet Peter Schneider als Gastdozent an amerikanischen Universitäten, unter anderem in Stanford, Princeton und Harvard; seit 1996 lehrt er als Writer in Residence an der Georgetown University in Washington DC.
(Verlag Kiepenheuer & Witsch)
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