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Der Grand Old Man der amerikanischen Literatur Philip Roth (»Der menschliche Makel«) erzählt die Geschichte eines Lebens, wie es normaler nicht sein könnte – ein Leben, an dessen Ende die Erkenntnis steht, das wirklich große Glück nie erreicht zu haben. (buchreport.de)
Philip Roth erzählt in seinem Roman »Jedermann – Everyman« die Geschichte eines Lebens, wie es normaler nicht sein könnte und das uns gerade deswegen besonders berührt. Von der ersten schockierenden Konfrontation mit dem Tod in den Sommerferien seines Helden über die familiären Wirren und die beruflichen Erfolge in seinem Erwachsenenleben als Designer in einer Werbeagentur bis hin zu der Zeit, als ihm die eigenen Gebrechen zusetzen. Er ist der Vater zweier Söhne aus erster Ehe, die ihn verachten, und einer Tochter aus einer späteren Ehe, die ihn vergöttert. Er liebt, hasst und neidet und muss am Ende erkennen, dass er das wirklich große Glück nie erreicht hat. (Hanser)
»Jedermann«, das ist nicht zuletzt Teil des Namens vom Juwelierladen seines jüdischen Vaters. »Jedermann«, das könnte aber auch sein eigener Name sein: Drei Exfrauen hat er hinterlassen, zwei Söhne aus erster Ehe, die ihn hassen, eine Tochter aus zweiter, die ihn vergöttert. Diese Tochter, Nancy, war es auch, die alle an sein Grab gerufen hat. Bereits hier, bei der beschriebenen Beerdigung im Anfangskapitel, der letzten Konfrontation Jedermanns mit dem Tod, entfaltet der US-amerikanische Schriftsteller Philip Roth gekonnt die psychologische Zusammensetzung der Gruppe, die einzig durch die Person des toten Helden zusammen gehalten wird.
Danach entfaltet er aus der Retrospektive das Leben eines Werbefachmanns und späteren Frauenhelden, sein Siechtum im Alter: eine Biografie, die in der Einsamkeit mündet und den Protagonisten zu einer Gestalt werden lässt, der er nie hatte sein wollen. »Würde es nicht jeder Durchschnittsmensch genauso machen?« fragt sich der Held an einer Stelle des Buchs, nachdem er in die Gefangenschaft der Ehe geschlittert ist. Später wird er eine treu sorgende Frau heiraten, die er wegen eines wesentlich jüngeren Fotomodels verlässt. Und am Ende wird er dies wie vieles andere bereuen. Der Leser aber ist angezogen und abgestoßen vom Lebenswandel dieser Figur, von seinen Schwächen und Fehlern zugleich: das große Verdienst des sezierenden Blicks von Philip Roth.
»Jedermann – Everyman« ist ein trauriges, fast schon deprimierendes Buch. Unerschütterlich beschreibt es das Altern als eine Aneinanderreihung von Abschiednahmen: Von Freunden, die sterben, von Lieben, die vergehen, von Gesundheit, die nicht wiederkehrt – und damit vom Leben selbst. Dadurch aber wird Jedermann auch zu einem überaus ehrlichen Buch, das zudem – dem Autor sei dank – wieder einmal blendend geschrieben ist. Mit »Jedermann« ist Philip Roth vielleicht noch radikaler als bei seinen Vorgängern gewesen und hat damit einmal mehr beweisen, dass er zu den großen alten Männern der US-amerikanischen Literaturszene gehört. Schon deshalb möchte man ihm ein langes Leben wünschen. Denn Bücher wie dieses zu schreiben gelingt nur den Wenigsten.
(Stefan Kellerer, Amazon)
Als ich noch gegen Bezahlung meine Meinung zu einem Buch äußern musste, fühlte ich mich wie eine der Figuren aus Philip Roths neustem Buch. Auch ich dachte als junger Schreiberling, mit meiner Vergänglichkeit befasse ich mich dann, wenn ich 75 Jahre alt bin. Kein Wunder hatte ich keinen Zugang zu Werken wie diesem, das schon lange auf meinem Büchertisch lag und dauernd anderen Autoren den Vorzug lassen musste. Der richtige Zeitpunkt war einfach noch nicht gekommen. Das änderte sich an Weihnachten, als mein Vater starb. Jetzt konnte ich dem Tod einmal mehr nicht mehr ausweichen. Und da ich aus der Lektüre früherer Roth-Bücher den Schluss zog, er könne mich mit seinen Geschichten, seiner Sprache und seinen Bildern erreichen, war es plötzlich klar, was ich als nächstes lesen würde. Und ebenso klar war mir nach der Lektüre, wem der Zugang zu diesem Buch verwehrt sein muss.
»Verurteile niemanden, bevor du nicht in seiner Lage warst«, heißt es im Talmud. »Fälle kein Urteil über dieses Buch, wenn du dich nicht mit deiner eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzten willst«, kam mir in den Sinn. Philip Roth hat ein Buch über das Sterben geschrieben, das so leicht, direkt und tief ist, wie ich wenige kenne. Nur Autoren seiner Klasse können es wagen, das Jedermann-Motiv neu zu gestalten. So wie es seinem Namensvetter Joseph Roth gelungen ist, den Hiob in unsere Zeit zu übertragen, schafft es Philip Roth mit der Figur des Jedermann. Keine Spur von billiger Anlehnung an eine bekannte Geschichte, sondern eine Variationen, die das Wesentliche des Menschseins weiterträgt. Jedermann als Firmennahme eines kleinen Schmuckgeschäfts, das der Inhaber mitten in der Depression von 1933 gründete, um seinen Söhnen feste Werte zu hinterlassen. Darauf muss man erst mal kommen.
Nichts in diesem Buch erinnert an medienwirksame Gags oder werberische »Jetzt-hört-mal-zu-Ideen«. Jedes Bild, jeder Satz, jede Verknüpfung ist für mich zwingend und locker zugleich. Das ist Literatur, wie ich sie im deutschen Sprachraum nur selten antreffe. Man muss sich nur auf sie einlassen. Arme Rezensenten, die am Morgen den Job fassen, in drei Tagen ein Besprechung dieses Buches in maximal 1500 Zeichen zu verfassen. Persönlicher Zugang hin oder her. Ein Buch über das Sterben und die Vergänglichkeit des Menschen soll man lesen, wenn der richtige Zeitpunkt da ist. Ist dies der Fall, dann gibt es nur wenige Autoren, die so viel zu sagen haben wie Philip Roth. Und noch weniger, die ihre Gedanken so schwerelos formulieren und auf die Reise schicken können.
Mein Fazit: Was andere auf doppelt so vielen Seiten nicht schaffen, verdichtet Philip Roth in Worte und Bilder, die mir einmal mehr zeigen, wie rar literarische Perlen sind. Während durchschnittliche Schriftsteller ihre persönlichen Betroffenheiten bis zur Übelkeit auswalzen, beschränkt sich Philip Roth einfach auf das Wesentliche einer guten Geschichte. Ich finde das großartig, was immer andere dagegen einzuwenden haben. Man muss Roths Worte und Sätze lesen, nicht nacherzählen.
(Dr. Werner Fuchs, Amazon)
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