|
|
In der romanlangen Erzählung »Die morawische Nacht« von Peter Handke nimmt die Wirklichkeit unserer Gegenwart immer bedrückendere Gestalt an. Ort: der Balkan, die Morawa, ein Zufluss der Donau, ein Hausboot auf dem Fluß. Zeit: eine Nacht, vom späten Abend bis zum blauenden Tagesbeginn. Personen: Ein Autor, ein ehemaliger, ruft seine Freunde, sieben an der Zahl, auf das Hotelschiff, seine Enklave, wohin er sich ein Jahrzehnt zuvor zurückgezogen hat. (buchreport.de)
Ort: der Balkan, die Morawa, ein Zufluss der Donau, ein Hausboot auf dem Fluss. Zeit: eine Nacht, vom späten Abend bis zum blauenden Tagesbeginn. Personen: Ein Autor, ein ehemaliger, ruft seine Freunde, sieben an der Zahl, auf das Hotelschiff, seine Enklave, wohin er sich ein Jahrzehnt zuvor zurückgezogen hat.
Die erste Überraschung erleben die Bekannten gleich beim Betreten des Boots: Der für seine Distanz zu den Frauen berüchtigte Ex-Autor empfängt sie in Begleitung einer Angestellten?, Gefährtin?, Geliebten? Auf das Abendmahl folgt eine lange Erzählung, in der die Stimme des Autors dominiert, in die sich zuweilen die Stimmen der anderen männlichen Anwesenden einpassen. Von einer gerade beendeten Rundreise des Bootsbesitzers durch das westliche Europa handelt die Erzählung. War er wirklich auf der Flucht vor einer Gefahr, etwa vor einer Frau, die ihm mit dem Tod drohte? Wie hat man sich das Symposium über den Lärm vorzustellen, an dem er angeblich in Spanien teilgenommen hat? Was hat es mit dem Treffen aller Maultrommelspieler dieser Erde vor Wien auf sich? Warum will er gerade zu diesem Zeitpunkt den Wohnort seines verstobenen Vaters in Deutschland aufsuchen? Und wo hat er die Frau getroffen? Und überhaupt: Wie lange dauerte die Reise?
In »Die morawische Nacht«, der romanlangen Erzählung Peter Handkes, nimmt die Wirklichkeit unserer Gegenwart immer bedrückendere Gestalt an. Gleichzeitig wird das Gewicht der Welt ein anderes ein leichteres? Was nun erwartet den Leser? Ein »nächtliches Buch»? »Nicht wenige solcher nächtlichen Bücher hatte der Autor im Lauf seines Lebens verfasst, die vom Tageslicht in nichts aufgelöst worden waren. In nichts? Wirklich?»
(Suhrkamp Verlag)
Im Jahr 1963 reiste ein noch unbekannter Dichter aus Österreich auf die jugoslawische Insel Krk an der kroatischen Adria, um sein erstes Buch zu schreiben und seine erste Liebe zu durchleben. Seitdem hat der Dichter viele Bücher geschrieben und viele Lieben durchlebt, nicht nur solche zu Frauen. Auch Jugoslawien galt seine Liebe, gilt sie auch nach dem Tod des Landes noch: eine Liebe, die er in vielen Büchern besungen hat. »Abschied des Träumers vom Neunten Land. Eine Wirklichkeit, die vergangen ist: Erinnerung an Slowenien« ist der Titel eines solchen Buches, »Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien« ein anderes.
Jetzt ist der Dichter, der natürlich der für seine Jugoslawiennostalgie in der Öffentlichkeit stark kritisierte Peter Handke ist, ins Land seiner Träume zurückgereist, in einer Zeit »nicht lang nach Frühlingsanfang«, auf ein Haus- und Hotelboot, ans Ufer des Donau-Zuflusses Morawa, und in die Nähe der Insel Krk, die in der immerhin 560 Seiten langen »Erzählung« aber anders, nämlich Cordura, heißt. An Bord der »Morawischen Nacht« ist ein ehemaliger, ein »abgedankter« Autor mit Papierallergie (!), der sich hier mit sieben (oder sechs?) Freunden trifft – und die Gäste mit der Gegenwart einer Frau überrascht. Von einer planlosen »Rund- und Zickzackreise« durch Europa erzählt er den Anwesenden von Fahrten zu den Orten, die wir aus anderen Romanen Handkes kennen, an deren Anfang die Flucht vor einer unbekannten Stalkerin, Verkörperung einer unfassbaren, unangreifbaren Gefahr. Der Weg führt zum Balkan, dem Ort, an dem er sich zuhause fühlt. Bis auch diese Sicherheit am Ende einer Lebensreise, die wieder von einer Frau flankiert wird, schwindet: »Was hatte er bloß bei den Verlorenen auf dem Balkan zu suchen gehabt? Der Verlorene, war das nicht in Wirklichkeit er?»
Ursprünglich hatte Handkes handlungsleeres, aber gedankenschweres Buch Samara heißen sollen, was man in etwa mit »die Nacht im Gespräch verbringen« übersetzen kann. Jetzt spielt der Titel an auf die orientalischen Geschichten aus »Tausendundeiner Nacht«. Das hat einen guten Grund. Denn Handke erzählt, als ob es um sein Leben, seine Existenz als Dichter ginge. Poetisch, traurig, selbstironisch – und über weite Strecken überaus gelungen. »Die morawische Nacht« ist ein Aufbruch zu neuen Ufern, der einen Handke zeigt, wie man ihn sich in den letzten Jahren immer wieder gewünscht hat.
(Literaturanzeiger, Amazon)
Am 3. Juni 1959 erschien in der Kärntner Volkszeitung die erste literarische Publikation des noch nicht einmal 17 Jahre alten Peter Handke: eine Erzählung mit dem Titel »Der Namenlose«. Auf den ersten Roman »Die Hornissen« (1966) folgten in den sich anschließenden vier Jahrzehnten mehr als sechzig Bücher. Jedes von ihnen erkundet unsere Welt auf je eigene und besondere Weise neu – all diese Bücher zusammen haben unsere Sprache und Wahrnehmung, unser Denken und Handeln radikal verändert. (Suhrkamp Verlag)
» Amazon-Direktlinks: Alle Infos zu
Peter Handke und
Die morawische Nacht
bei Amazon.de ansehen.
|