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Der junge Nenè wächst im faschistischen Sizilien auf. Jeden Tag, wenn er mit dem Fahrrad zur Schule fährt, kommt er an einer dreistöckigen Villa vorbei. Es ist dort nie jemand zu sehen, nur manchmal tönen lachende Frauenstimmen aus dem Fenster. Nenès Neugier ist geweckt. Immer wieder sucht er diesen magischen Ort auf, doch erst spät findet er heraus, was sich dahinter verbirgt: ein Bordell.
Nachdem der Vater von Nenès Freund Jacolino die Leitung des Hauses übernimmt, dürfen die Jungen, obwohl sie noch nicht volljährig sind, jeden Montag, dem Ruhetag, hierher kommen, um mit den Prostituierten zu essen und zu trinken und sich ihre Geschichten erzählen zu lassen. Draußen herrscht Krieg, und im Schrecken der Bombennächte wird die Pension zu einem Ort lebendiger Phantasie.
(Kindler Verlag)
Pressestimmen zu dem Buch »Die Pension Eva« von Andrea Camilleri:
»Die Pension Eva« zeugt von einer solchen erzählerischen Leichtigkeit, ja Glückseligkeit, dass feststeht: Der Fall Camilleri ist – trotz des weltweiten Erfolgs – noch lange nicht abgeschlossen. (Corriere della Sera)
Prickelnd wie Prosecco ist Andrea Camilleris Prosa. Ein bizarrer, sehr komischer Bildungsroman. (Der Spiegel)
Wenn es ein Mysterium um Andrea Camilleri gibt, dann ist es sein später Erfolg als Schriftsteller. Nicht dass seine berufliche Karriere vorher eine einzige Tristesse gewesen wäre, im Gegenteil. Bei der RAI, der öffentlich-rechtlichen Rundanstalt Italiens, hatte er einst eine auf sechs Monate befristete Stelle angetreten. Er blieb dreißig Jahre. Seine Bilanz: 120 Theaterinszenierungen, 80 Fernsehproduktionen, 1300 Regiearbeiten für das Radio. Erfolglosigkeit sieht anders aus.
Ende der 1980er-Jahre schied er bei der RAI aus: als Pensionär. Seit er die Regiearbeit und die bis dahin gepflegte Kunstprosa an den Nagel hängte und sich auf historische Romane und Krimis verlegte, eilt er von Erfolg zu Erfolg. Gigantische Auflagen, Übersetzungen seiner Werke in viele Sprachen, Literaturpreise, Einladungen, Ehrendoktorhüte etc. – längst zählt der in Rom lebende Sizilianer zu den meistgelesenen Autoren Italiens.
(Bookmarks)
Eigentlich ist die Pension Eva für den heranwachsenden Nenè gar kein Bordell. Nicht nur, dass sich der Junge, der schon früh von seiner Cousine in die Geheimnisse der Liebe eingewiesen worden ist, als Zwölfjähriger vorgestellt hatte, dass in der dreistöckigen Villa im italienischen Vigàta bezaubernde Feen wohnten. Auch ist die »Pension« auf den Überresten eines Tempels und einer Kirche errichtet worden. Und tatsächlich erscheint das Haus im Roman vor allem ein heiliger Ort, in dem die Männer in den Armen des zweiwöchentlich wechselnden Personals für eine halbe Stunde auch den Krieg und die Lieblosigkeit ihrer Umgebung vergessen können. So verwundert es Nenè nicht, dass er nach der Zerbombung des Bordells am Ende des Romans eine Statue von griechischer Schönheit in den Trümmern findet, die die Hände zum Gebet gefaltet hat – und die die Illusion des wahren Ortes im falschen Leben gleich wieder entlarvt: »Er berührte sie. Und da bemerkte er, dass sie nicht aus Marmor war, sondern aus Fleisch und Blut. Die Totenstarre hatte längst eingesetzt, und so hatte die Leiche wie eine Statue ausgesehen. Der Staub bedeckte ihren ganzen Körper, und wahrscheinlich war sie daran qualvoll erstickt.«
Der Lektüre des Kurzromans Die Pension Eva aus der Feder des inzwischen 82-jährigen italienischen Bestsellerautors Andrea Camilleri ist zunächst befremdlich. Das hat weniger damit zu tun, dass man vom Autor, der hierzulande nicht zuletzt durch seine spannenden Geschichten rund um den Commissario Montalban bekannt geworden ist, eher einen Krimi als eine leise Erzählung über das Heranwachsen in Zeiten des Krieges erwartet hätte. Vielmehr ist es der etwas altertümelnde Erzählton, der überrascht. Denn bei der Lektüre von Die Pension Eva hat man über weite Strecken das Gefühl, man halte die – unbedingt notwendige, da ungemein faszinierende – Wiederentdeckung eines wundervoll schreibenden Autors aus den zwanziger Jahren in den Händen, die die Lektoren des Kindler-Verlags da der Vergessenheit entrissen haben, und nicht eine Veröffentlichung aus dem Jahr 2008.
Wenn man sich aber auf den zwar nostalgischen, aber stringent durchgehaltenen und irgendwie ja auch passenden Erzählton Camilleris eingelassen hat, wird man Die Pension Eva die gegen Ende immer mehr zu einer Sammlung kleiner Geschichten und Anekdoten wird, mit Hochgenuss verschlingen. Da gibt es eigentlich nur eine kurze Passage, in der der allwissende Erzähler seine Leser, den vermeintlichen Tod eines liebestollen Barons im Bombenhagel betreffend, an der Nase herumführt. Da hätte man sich eine weniger effektvolle, dafür aber gelungenere Schreiblösung gewünscht. Aber das ist in dem Roman, der auf kleinstem Raum ein kluges Panorama der faschistischen italienischen Gesellschaft unter Mussolini entfaltet, nun wirklich ein verschmerzbarer Einzelfall.
(Literaturanzeiger, Amazon)
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