Wong Kar-Wai gilt international als Meister der großen romantischen Gefühle und der poetischen Bildsprache. 1958 wurde er in Shanghai geboren und wuchs in Hongkong auf. An seine Kindheit erinnert er sich als eine Zeit voll Traurigkeit: »Als Kind, unmittelbar nach der Ankunft in Hongkong, fühlte ich mich sehr einsam, weil ich kein Kantonesisch sprach.Wir, meine Mutter und ich, saßen den ganzen Tag in unserem kleinen Apartment und hörten Radio, ohne die Sprache zu verstehen. Die einzige Melodie, an die ich mich erinnere, war der Jingle für die BBC-Nachrichten. Einmal gingen meine Eltern abends weg, tanzen. Ich wachte auf und fürchtete mich. Ich schaltete das Radio ein und hörte die BBC-Nachrichten, was mich beruhigte.«
Nach seinem Schulabschluss studierte Wong Kar-Wai Grafik-Design und arbeitete als Autor für den Fernsehsender TVB und das Studio Cinema City.Mit dem Regisseur Patrick Tam schrieb er eine Trilogie, deren ersten Teil Wong als »As Tears Go By« (1988) inszenierte. Der zweite Teil wurde nie realisiert, und den dritten verarbeitete Tam zu »Final Victory«.Wongs Regie-Debüt über die persönlichen Konflikte eines Gangsters wurde von der Kritik bejubelt und verhalf ihm sowie der Darstellerin Maggie Cheung zu Star-Status innerhalb der internationalen Art-House-Szene. Im Hintergrund dieser tödlich endenden Geschichte wetterleuchtet der Moloch Hongkong: Keine Heimat, kein Ort der Geborgenheit, sondern ein Sammelsurium aus Unrast, Bedrängnis und Enge.
In »Days Of Being Wild« (1990) besetzte Wong Kar-Wai neben Maggie Cheung das erste Mal Tony Leung: Dieser umwirbt in dem Film routiniert eine junge Frau, wendet sich dann gelangweilt einer Barfrau zu, die er ebenso verlässt, um seine Mutter in Manila zu suchen.Menschen begegnen und verlieren sich, es kommt ständig zu unterschiedlichen Konstellationen. Die Erzählstruktur ist wie ein Kaleidoskop, der Stil erinnert mit seiner Mischung aus Melancholie und Radikalität an die Filme der Nouvelle Vague der sechziger Jahre. »Days of Being Wild« scheiterte zwar an der Kinokasse, trug aber dennoch dazu bei,Wongs internationales Renommee als Regie-Wunder zu festigen.
Mit »Ashes Of Time« (1992-1994), der ein Martial-Arts-Blockbuster werden sollte, sicherte sich Wong Kar-Wai bei Produzenten schließlich den Ruf eines ruinösen Enfant terrible: Die Dreharbeiten in der chinesischen Yuli-Wüste zogen sich über zwei Jahre hin, das Drehbuch schrieb er fast täglich um, und die eigentliche Handlung entstand erst im Schneideraum aus einer Unmenge von abgedrehtem Material – eine Arbeitsweise, die er auch in seinen folgenden Filmen, allerdings unter anderen Vorzeichen, beibehalten sollte. Als ginge es drum, sich als Regisseur völlig neu zu erfinden, drehte er in nur zwei Monaten und als eigene Produktion die Nouvelle Vague-Hommage »Chungking Express« (1994), die zwei separate Geschichten erzählt; und aus der ursprünglich geplanten dritten Episode entwickelte er »Fallen Angels« (1996). Beide Filme thematisieren das ziellose Dasein in den Städten zwischen Popmusik und Schnellrestaurants, die kleinen Träume des Alltags ebenso wie die große Einsamkeit und die Flucht in ein anderes Leben. Danach, 1997, entsteht in Buenos Aires »Happy Together«. Für diese Odyssee eines homosexuellen Paares (Leslie Cheung und Tony Leung) wurde Wong Kar-Wai in Cannes mit dem Regie-Preis ausgezeichnet.
2000, in einem Interview erklärte er: »Zu viele andere Regisseure machen jetzt Wong Kar-Wai-Filme, also muss ich jetzt was Anderes machen.« Dieses Andere, allerdings ganz im Wong-Kar-Wai-Sound, war »In the Mood for Love«: eine weitere Großstadtgeschichte über Sehnsüchte von Liebenden. Der bis ins kleinste Detail durchkomponierte Film überlässt nichts dem Zufall und wird so zu einem getragenen, höchst visuellen und musikalischen Ballett über die Verwirrung der Gefühle. Besetzt mit Maggie Cheung und Tony Leung ist dieser Film auch eine Art Fortsetzung von »Days of Being Wild«. 2004 schließlich inszenierte Wong Kar-Wai mit seiner Stammcrew den brillant fotografierten Hybriden aus Zukunftsdrama und Liebesmelodram 2046.
(Prokino Filmverleih)
• 1988 As Tears Go By – Hong Kong Film Awards 1989: Preis für die Beste Ausstattung (William Chang)
• 1990 Days of Being Wild – Hong Kong Film Awards 1991: Preis für die Beste Regie, für die Beste Kamera (Chris Doyle), für den Besten Darsteller (Leslie Cheung) sowie für die Beste Ausstattung (William Chang)
• 1992-94 Ashes of Time – Hong Kong Film Awards 1994: Preis für die Beste Ausstattung (William Chang), Preis für die Beste Kamera (Chris Doyle), Preis für das Beste Kostümund Make-up-Design (William Chang); Venedig 1994: Preis für die Beste Kamera (Chris Doyle)
• 1994 Chungking Express – Hong Kong Film Awards 1996: Preis für die Beste Regie, den Besten Darsteller (Tony Leung) und den Besten Schnitt (William Cheng, Kai Kit-wai, Kwong Chi-leung); Stockholm 1994: FIPRESCI-Preis für die Beste Darstellerin (Faye Wong)
• 1996 Fallen Angels – Hong Kong Film Awards 1996: Preis für die Beste Kamera (Chris Doyle) sowie Preis für die Beste Originalmusik (Frankie Chan, Roel A. Garcia)
• 1997 Happy Together Preis der Internationalen Filmfestspiele in Cannes für die Beste Regie – Hong Kong Film Awards 1998: Preis für den Besten Darsteller (Tony Leung)
• 2000 In the Mood for Love – Europäischer Filmpreis für den besten nichteuropäischen Film, Preis der Internationalen Filmfestspiele in Cannes für die Beste Technik, Preis der Internationalen Filmfestspiele in Cannes für den Besten Darsteller (Tony Leung)
• 2004 Eros (Episode: The Hand) – Die beiden anderen Episoden wurden von Michelangelo Antonioni und Steven Soderbergh inszeniert.
• 2004 »2046« – Europäischer Filmpreis für den besten nichteuropäischen Film
• 2007 To Each His Own Cinema (Episode: I travelled 9000 km to give it to you)
• 2007 My Blueberry Nights – Eröffnungsfilm der 60. Filmfestspiele in Cannes
(Prokino Filmverleih)
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