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»Faust – Eine Tragödie« ist Johann Wolfgang von Goethes Menschheitsdrama mit Zeichnungen von Wilhelm Busch. (dtv Verlag)
»Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust«
Wer kennt es nicht, das dramatische Schicksal und Handeln des »Faust«! Es gibt wohl kaum einen Schüler, der ihm nicht einmal in seiner Schulzeit begegnet wäre, für den Bildungsbürger gehört er sowieso zum Kanon. Zurecht! Denn was Johann Wolfgang von Goethe in 60-jähriger Schaffenszeit mit dem »Faust« zuwege gebracht hat, sucht in der deutschen Dichtung seinesgleichen, lässt sich nur mit dem Begriff der Weltliteratur angemessen fassen und steht auf einer Ebene mit dem »Don Quijote« oder der »Göttlichen Kommödie«.
Faust, der umfassend gebildete Universalgelehrte, befindet sich in einer tiefen Krise bei seiner Suche nach dem, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. Eingesperrt in seine Gelehrtenstube drängt es ihn schließlich bis nahe an den Selbstmord. Nur die Osterglocken retten ihn. Beim berühmten Osterspaziergang wird ihm bewusst, dass er sich nach umfassendem Weltwissen gleichermaßen wie nach irdischer Weltlust sehnt. Da er sich aber von allen irdischen Lebenswerten abgeschnitten sieht, verflucht er das Leben. Hier nun wittert der Teufel in Gestalt des Mephisto seine Chance und bietet Faust einen Pakt an: Würde dieser auch nur einen Augenblick das Leben genießen und dabei verweilen wollen, wäre Fausts Seele auf immer verloren.
Faust lässt sich auf den Handel ein und wird von Mephisto nun mit derbsten Sinnesgenüssen überschüttet: Aber sowohl die Studentenrunde in Auerbachs Keller als auch den Spuk in der Hexenküche erträgt Faust nur widerwillig. Erst die Begegnung mit dem nur 14-jährigen Gretchen erweckt in Faust irdisches Verlangen. Nun nimmt das Drama seinen Lauf ...
Bei aller Individualität des Schicksals von Faust, der uns hier in einer Charaktertragödie entgegentritt, verweist das Stück klar über das Einzelschicksal hinaus auf ein allgemeines Menschheitsdrama. Dies macht ihn zu einem zeitlosen Lese- und Theatererlebnis bis in unsere Zeit.
Trotz der 60jährigen Schaffenszeit und der Mannigfaltigkeit der theatralischen wie poetischen Mittel bildet die Dichtung eine dramatisch-strukturelle Einheit, deren Handlungsziel durch die Wette des Herrn mit Mephisto festgelegt ist: der verworrene Mensch ist zur Klarheit prädestiniert, der Irrende wird zum Urquell zurückfinden, ein guter Mensch in seinem dunklen Drange ist sich des rechten Weges wohl bewußt. Gegen den Glauben des Herrn an das Gute im Menschen setzt Mephisto sein diffamierendes Menschenbild. Der Teufel, das verneinende und zerstörende Prinzip, hat doch zugleich im Weltenplan gegen seinen Willen eine die natürliche Trägheit des Menschen anstachelnde Funktion.
(Gero v. Wilpert, »Lexikon der Weltliteratur«)
Nein, an »Faust« kommt jemand, der sich für Literatur interessiert, nicht vorbei. Ja, und selbst derjenige, der meint, in unserer Zeit habe man nichts mehr mit Johann Wolfgang von Goethe Werk zu tun, sei eines besseren belehrt: Längst sind Zitate aus dem unstrittig berühmtesten Drama aus deutscher Dichterhand in alltägliche Redewendungen übergegangen. Irgend etwas aus »Faust« trägt jeder einmal – bewusst oder unbewusst – auf den Lippen.
Goethe hat es verstanden, aus der alten Geschichte vom »Doktor Faustus«, der nach unbedingter Erkenntnis strebt, ein Drama zu machen, das in seiner inhaltlichen und sprachlichen Vielfalt sämtliche Vorgänger in den Schatten stellt. Seine Faust-Gestalt – und mit ihr das faustische Streben – stehen für das Streben des Menschen überhaupt.
Zu Beginn des Dramas wettet Mephisto mit Gott um die Seele von Faust. Mit Verlockungen und Verwirrungen versucht der Widersacher sein Opfer zu verführen. Nichts scheint ihm unmöglich. Auch das unschuldige Gretchen, in das sich Faust verliebt, scheint er in seiner Gewalt zu haben. Als sie ihre Mutter umbringt, um sich ein Stelldichein mit Faust zu erschleichen, nimmt die Tragödie ihren Lauf ...
Und doch zeigt sich – trotz allen Leides, welches der Teufel anrichtet – über die wahre, unschuldige Liebe kann er nicht triumphieren. Mephisto bleibt ein Zyniker vor dem Herrn, ein destruktives Element, ein armer Teufel.
Nicht zuletzt auch Sprache und Form der Tragödie sind eine wahre Meisterleistung: Kaum ein anderes Werk besitzt solch eine Vielzahl an metrischen Formen, die exakt auf die jeweiligen Personen und die Dichte der Atmosphäre abgestimmt sind. Die Einmaligkeit von Faust wird erst durch mehrmaliges Lesen deutlich. Dafür sollte man sich Zeit lassen. Auch in diesem Jahrtausend.
(Anne Hauschild, Amazon)
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) verbrachte seine Jugend in Frankfurt am Main, zog in seiner Studienzeit nach Leipzig und Straßburg und arbeitete ab 1771 als Anwalt wieder in seiner Heimatstadt Frankfurt. 1775 wurde er an den Hof von Weimar berufen, wo er bis zu seinem Tod blieb (mit kurzen Unterbrechungen wie der Italienischen Reise, Reisen zum Rhein, in die Schweiz, nach Italien und Böhmen).
Goethe feierte frühe Erfolge mit den Sturm-und-Drang-Stücken »Götz« und »Werther«, Gedichten (herrliche Liebeslyrik), Epen, Dramen (»Faust«, »Tasso«, »Iphigenie« u.v.a.), sowie Autobiografien. Er war auch Zeichner und Universalgelehrter: Botanik, Morphologie, Mineralogie, Optik. Theaterleiter und Staatsmann. Er war befreundet und koorespodierte mit den größten Dichtern, Denkern und Forschern seiner Zeit (u.a. Schiller, Humboldt und Schelling).
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