|
|
Der Roman »Die Habenichtse« von Katharina Hacker wurde mit dem Deutschen Buchpreis 2006 als »Bester deutschsprachiger Roman« ausgezeichnet. In der Begründung der Jury heißt es:
Katharina Hackers Roman »Die Habenichtse« erzählt die Geschichte von Haben und Sein neu. Ihre Protagonisten sind in den Dreißigern, wissen alles und kennen doch eines nicht: sich selbst. Sie lassen sich treiben und sind gleichermaßen Getriebene. In einer flirrenden, atmosphärisch dichten Sprache führt Katharina Hacker ihre Helden durch Geschichtsräume und in Problemfelder der unmittelbarsten Gegenwart, ihre Fragen sind unsere Fragen: Wie willst du leben? Was sind deine Werte? Wie sollst und wie kannst du handeln? Die Qualität des Romans besteht darin, diese Fragen in Geschichten aufzulösen, die sich mit den plakativen Antworten von Politik und Medien nicht zufriedengeben.
(Die Jury des Deutschen Buchpreises)
In ihrem meisterhaften, atmosphärisch dichten Roman »Die Habenichtse« erzählt Katharina Hacker von jenen Mittdreißigern, die alle Möglichkeiten und Handlungsfreiheiten haben und letztlich doch mit leeren Händen dastehen. (buchreport.de)
»Ich bin glücklich, wollte Jakob sagen, aber der Satz war wie ein Holzpüppchen, das man behutsam aufstellte und das sich doch nur einen Augenblick hielt, bevor es umkippte.« – Isabelle und Jakob treffen sich am 11. September 2001 nach Jahren auf einer Party in Berlin wieder. Sie verlieben sich, heiraten und bekommen die Chance, nach London zu ziehen, wo Jakob – Schicksal? Zufall? – eine Stelle in einer Anwaltskanzlei antritt, die eigentlich für einen Kollegen vorgesehen war, der bei den Anschlägen auf das World Trade Center umgekommen ist. Isabelle arbeitet von dort aus weiter für ihre Berliner Grafikagentur und genießt, in den spannungsreichen Wochen vor Ausbruch des Kriegs im Irak, ihr Londoner Leben.
Die beiden haben alles, was ein junges, erfolgreiches Paar braucht – und stehen doch mit leeren Händen da. Sehnsüchtig und ratlos sehen sie zu, wie ihr Leben aus den Fugen gerät. Jakob ist fasziniert von seinem Chef, Isabelle von Jim, dem Dealer. Die untergründigen Ströme von Liebe und Gewalt werden spürbar, und das Nachbarskind Sara wird ihr Opfer. Wie das Weltgeschehen ins eigene Leben eingreift, wie sehr dabei die Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen oder mitzufühlen, kollidiert mit der Sehnsucht nach existentiellen Erfahrungen, das erzählt Katharina Hacker meisterlich. Sie erzählt von jenen Mittdreißigern, die alle Möglichkeiten und Handlungsfreiheiten haben, sich selbst und die Menschen in ihrer Umgebung aber nicht vor Unheil bewahren können.
(Suhrkamp Verlag)
Liebe kann Leben retten. Niemand weiß das besser als Jakob. In den neunziger Jahren, zur Zeit seines Jurastudiums in Freiburg, hat er Isabelle kennen gelernt. Es war eine Art nachhaltiger One-Night-Stand: Man hat mit einander geschlafen, dann ging man auseinander. Aber Jakob hat Pläne geschmiedet, die auch eine gemeinsame Zukunft mit einbezog. Dann erfährt Jakob, dass Isabelle am 11. September 2001 auf das Fest einer gemeinsamen Freundin kommen will. Eigentlich soll er nach New York, zu einem Geschäftstreffen im World Trade Center. Jetzt aber schickt er einen Arbeitskollegen hin. Der kommt beim Terroranschlag islamistischer Terroristen ums Leben.
Irgendwie ist es da nur konsequent, dass Jakob und Isabelle heiraten – eben darum, weil beide es nach dieser ungeheuerlichen Verkettung von Zufällen »so passend« finden. Weniger konsequent, ja bezeichnend ist, dass sie es so unauffällig wie möglich tun. Isabelle geht mit Jakob nach London, wo der junge Rechtsanwalt die Stelle jenes Mannes annimmt, der statt seiner in New York ums Leben kann. Aber das wohlhabende Paar zieht keineswegs in einen respektablen Stadtteil, sondern in ein sozial eher heruntergekommenes Viertel, dessen viktorianische Fassaden schon bessere Zeiten gesehen haben. Hier leben die Habenichtse, darunter auch der Junkie und Drogendealer Jim, zu dem Isabelle sich eigentümlich hingezogen wird. Spätestens jetzt wird klar, dass das, was Jakob und Isabelle füreinander empfinden, vielleicht doch nicht die große Liebe ist – zumal sich die beiden in London immer weiter entfremden.
Seltsam leer beschreibt Katharina Hacker die Protagonisten in ihrem Roman »Die Habenichtse«, um die sie weitaus lebendigere Nebenfiguren gruppiert. Emotionale Habenichtse sind die beiden, als Vertreter der »Generation Golf«: jene Generation der Erben um die 35, die selbst der 11. September 2001 nur kurzfristig und auf die falsche Art und Weise erschüttern kann: als »Scheidelinie zwischen einem phantasierten, unbeschwerten Vorher und dem ängstlichen, aggressiven Gejammer, das sich immer weiter ausbreitete.« Eigentlich ist Isabelle und Jakob nicht die Liebe, sondern das Leben selbst abhanden gekommen – anders als ihren älteren Freunden und Bekannten, die aus wirklichen, nicht medial vermittelten, sondern selbst erlebten Katastrophen erstarkt hervorgehen. Das ist eine der erschütternden Erkenntnisse dieses ruhigen, klug aufgebauten und perspektivisch geschickt komponierten Buchs, das nichts weniger als Tod, Glück, Liebe und Schuld zum Thema hat und wohl Hackers bestes ist. »Die Habenichtse« ist große, aber leise, und gerade deshalb verstörende Literatur.
(Thomas Köster, Amazon)
Katharina Hacker, 1967 in Frankfurt am Main geboren und aufgewachsen, studierte Philosophie, Geschichte und Judaistik in Freiburg und Jerusalem. Sie arbeitete mehrere Jahre in Israel und lebt seit 1996 als Autorin in Berlin. Katharina Hacker wurde zur Stadtschreiberin 2005/2006 von Bergen-Enkheim gewählt. Für ihrem Roman »Die Habenichtse« erhielt sie 2006 den »Deutschen Buchpreis«. (Suhrkamp Verlag)
» Alle Infos zu
Katharina Hacker
und
Die Habenichtse
bei Amazon.de ansehen.
|